Sa., 10.09.2016 / 22,6 Meilen
Es ist kalt in unserer vorletzten Nacht, aber kuschlig in unserem Zelt.
Während wir am Essplatz frühstücken, kommen vier Rehe ins Camp und schauen, was die Wanderer übriggelassen haben. Sie haben kaum Angst vor uns. Wahrscheinlich werden sie oft von Wanderern gefüttert.
Wir laufen wieder spät los, haben aber auch keine Eile.
Der Weg zieht sich entlang der Westseite der Wasserscheide entlang und wir haben eine tolle Aussicht. Der Himmel ist zwar bewölkt, aber wir bleiben den ganzen Tag trocken! Zwischendurch ist es sogar sonnig!
Wir sehen eine Schneeziege und eine Herde Bighornsheep mit Jungen. Die Grizzly-Mutter mit drei Jungen, die ein uns entgegenkommender Wanderer am Morgen gesehen hat, sehen wir „leider“ nicht.
Wir überschreiten am höchsten Punkt des Tages zum letzten Mal die Wasserscheide zu Fuß. Ab hier geht es quasi zehn Meilen nur noch bergab bis zu unserem letzten Camp.
Ich genieße den ganzen Tag die Aussicht und versuche, an diesem vorletzten Tag und letzten Tag oben in den Bergen, alles in mich aufzusaugen. Zu selbstverständlich werden schöne Ausblicke auf so einer langen Reise.
Das Tal, in das wir langsam absteigen, hat eine ganz andere Vegetation. Hier scheint es feuchter zu sein, und alles ist voller Pflanzen.
Als wir im Tal unten ankommen, dem wir noch fünf Meilen folgen müssen, ist der Weg sehr matschig und man muss permanent ausweichen und schauen, wo man hintritt. Es ist sehr anstrengend und uns beiden vergeht die Lust.
Um kurz vor acht kommen wir zum Waterton Lake. Ich hatte ja keine Ahnung, was uns erwartet! Ich dachte, ich bin in der Mitte von nirgendwo! Plötzlich stehen hier eine große Ranger-Station, ein Grenzposten, ein Pavillon, ein Stall, ein großer Bootsanleger, ein weiterer Pavillon, und der Weg ist geteert!
Wir treffen den Ranger, der uns fragt, wo wir herkommen, ob, wann und wo wir andere Wanderer gesehen haben und kontrolliert unsere Reservierung.
Wir plaudern eine Weile mit ihm und laufen dann zur Campsite hinter einem der Pavillons.
Hier am Bootsanleger kommen an einem guten Tag im Sommer bis zu 1000 Leute an!
Was ich auch nicht wusste, ist, dass man hier gar nicht zeltet, sondern in einer der Hütten übernachtet. Leider sind es aber keine hübschen Hütten, sondern eher offene Garagen. Zudem ist ein Warnschild aufgehängt, dass es hier in letzter Zeit Bär-Aktivitäten gab.
Dafür hat es aber Mülleimer und Wassertoiletten!
Wir sind nicht so richtig begeistert von den Hütten und hätten uns eigentlich eine letzte Nacht im Zelt gewünscht. Ich ärgere mich ein bisschen, dass die schlecht gelaunte Rangerin, die unsere Reservierung gemacht hat, uns nicht gesagt hat, was uns hier erwartet.
Also hängen wir unser Essen und breiten dann unser Lager wie Obdachlose auf dem betonierten Hüttenboden aus. Da die Vorderseite offen ist, können wir den Berg gegenüber, die Sterne und die langsam zusammenziehenden Wolken beobachten.
Hoffen wir, dass sich heute Nacht kein Bär zu uns kuschelt!
Es ist ein komisches Gefühl. Der letzte Abend in der Wildnis und doch schon halb in der Zivilisation.
Ich würde gern beschreiben, wie es sich anfühlt, so kurz vor dem Ziel zu sein, aber es ist immer noch so unwirklich.
Das Wandern ist mir heute, außer zum Schluss, leicht gefallen. Ich freue mich auf das Ende, auch wenn ich es am Ende sicher vermissen werde. So genau kann ich es nicht beschreiben. Vielleicht kommt das in den nächsten Tagen.
Fühlen kann ich schon, wie ein großer Druck von mir abfällt. Habe ich genug Essen dabei, wieviele Meilen müssen wir heute schaffen, wieviele Höhenmeter bewältigen, kommt um die Ecke ein Bär aus dem Gebüsch, rennt ein Elch dummerweise nachts über unser Zelt, wird das Wetter halten, haben wir genügend Wasser, sind wir auf dem richtigen Weg….
Ab morgen kann ich wieder Essen kaufen, wann ich es brauche, den Wasserhahn aufmachen, in einem weichen Bett schlafen, den Aufzug nehmen, mit dem Auto fahren, telefonieren, duschen, jeden Morgen frische Kleider anziehen, englischen Schwarztee mit Milch und einer Messerspitze Zucker trinken….
Ich werde die Stille, die Weite und die Einsamkeit sicher vermissen.
Trotzdem freue ich mich auf zu Hause!
Liebe Grüße
Eure Prinzess Cheezy
Ihr Lieben,
ich werde die Abenteuerberichte am Schreibtisch schwer vermissen – kommt gut nach Hause – es wird auch Zeit!
Liebe Grüße
Karola
Aha, am Schreibtisch also! Nanana….
Jetzt bist Du wieder dran. Vielleicht im Kanu?
Was für ein Abenteuer! Deine Berichte haben uns die letzten Wochen begleitet und Freude bereitet. Viele Menschen waren in Gedanken bei Dir! Und zum Glück ja auch ein ganz wichtige dann noch ganz nah persönlich dran. Die „Entschleunigung“ mit Johnny las sich richtig gut.
Wünsch Euch beiden einen wunderbaren Abschluß und eine gute Rückkehr!
Vielen Dank liebe Tanja!
Liebe Cheezy,
ja, deine Berichte und die tollen Bilder werde ich auch sehr vermissen. Ich freue mich das du es wirklich geschafft hast und auch darauf dich bald wieder mal live zu sehen!? Wünsche dir und euch noch eine schöne Restzeit dort und eine gute Rückkehr!
Eben, Du hast mich ja bald live und in Farbe wieder. Wenn auch ca. 10 kg leichter! Freue mich auch, Euch zu sehen!
Ich brauche die letzte Etappe noch zum Lesen!!! Sonst fühl ich mich unvollständig! 🙂
Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat! Hoffe, Du fühlst Dich jetzt besser!